Heiligenstockschule / Hofheim

Keine Hausaufgaben mehr

Ein ungewöhnliches Projekt mit einer einjährigen Testphase

Seit Beginn des neuen Schuljahres müssen 80 Schüler der fünften und sechsten Klassen der Heiligenstockschule zu Hause keine Schularbeiten mehr machen. Dafür haben sich die Schulstunden von den üblichen 45 auf 60 Minuten verlängert.

Von Michelle Spillner

Hofheim. "Die Kinder finden das neue Konzept toll und freuen sich, dass sie nach der Schule wirklich Freizeit haben", so Schulleiterin Karola Sterf. Das entbindet die Mädchen und Jungen aber nicht davon, vielleicht das eine oder andere Mal noch mal für einen Test zu lernen oder etwas vorbereiten zu müssen. Aber Hausaufgaben im eigentlichen Sinne bekommen sie nicht mehr. Die werden jetzt schon in der Schule erledigt.

Bis 14.45 Uhr

Bei gleichbleibender Wochenstundenzahl dauert eine Schulstunde für die Fünft- und Sechstklässler jetzt nicht mehr 45 Minuten, sondern 60 Minuten. An drei Tagen pro Woche bleiben die Kinder bis 14.45 Uhr - unterbrochen von einer Mittagspause - in der Schule. Neben dem herkömmlichen Unterricht werden auch noch die Hausaufgaben erledigt, die sie normalerweise nach Schulschluss abarbeiten müssten. Die Änderung der Zeitstruktur ermöglicht es, dass sich im Unterricht an die Lernzeiten die Übungsphasen anschließen können, und die Kinder sofort anwenden können, was sie gelernt haben.

Es sind mehrere Gründe, die die Schule zu dieser Organisationsänderung bewegt haben. Zum einen hätten viele Kinder niemanden zu Hause, der mit ihnen Hausaufgaben macht, und seien so den Kindern gegenüber im Nachteil, die Unterstützung haben. "Außerdem sehen wir jetzt sofort, wenn jemand etwas nicht verstanden hat und können helfen", so die Schulleiterin. Erledigten die Kinder die Hausaufgaben zu Hause, wisse man nie, wer da mitgearbeitet hat und ob der Stoff tatsächlich vom Kind verstanden wurde.

Die Lehrer wissen gleichzeitig um das hohe Konfliktpotenzial, das Hausaufgaben in Familien bringen können. "Die Kinder schätzen es sehr, wenn die Lehrkraft dabei ist", so Karola Sterf. Und schließlich habe die Kontrolle der Hausaufgaben sehr viel Unterrichtszeit beansprucht.

Besser im Blick

Mit den neu eingerichteten Lernzeiten werden die Kinder mit fachbezogenen Aufgaben individuell gefördert. Neben der Unterstützung durch den Fachlehrer können die Mädchen und Jungen sich auch gegenseitig helfen. Die Schule kann dabei den Bildungsprozess der Kinder besser beobachten und steuern. Auf diese Weise sei Lernen als ganzheitlicher Prozess besser zu begreifen. Das neue Konzept kann dazu beitragen, die Kinder besser auf einen Wissenstand zu bringen, und langfristig vielleicht auch die Leistungen zu steigern.

Die Heiligenstockschule will das 60-Minuten-Konzept ein Jahr lang testen und anschließend per Fragebogen bei Lehrern, Eltern und Kindern die Erfahrungen abfragen. Bewähre es sich, dann ist es laut Sterf denkbar, die 60-Minuten-Regelung auf andere Klassen auszuweiten.